Time Is My Fertilty
May 2022
Hyperlokal, Zurich
Performance 60min
TIME IS MY FERTILITY entwirft eine Utopie der Körper, in der Schwangersein nichts mit Reproduktion, Kindererziehung oder Geschlechterrollen zu tun hat, sondern in erster Linie ein Konzept ist, das erlaubt, eine physikalische Unmöglichkeit zu denken: Wo ein Körper ist, ist auch ein:e andere:r. In einer von uns entwickelten, blasphemischen Liturgie, einer textlichen Partitur wird nicht nur die westliche Idee eines autonomen Selbst als abgeschlossene Entität zerschmettert, sondern auch die Eindeutigkeiten unseres Denkens gleich mit. Ein nicht enden wollendes Punk-Konzert, ein Klagegesang und eine Kampfansage, ein Liederzyklus...
„Seitdem fühle ich mich nicht mehr so abgeschlossen an, irgendwie suppt mein Ich
aus, oder ist undicht geworden, oder aufgerissen, wie eine Eierschale.“
In einem intimen Raum, in dem gemeinsam mit dem Publikum Tapiokaperlen aus Austern geschlürft werden und sich um das Lagerfeuer versammelt wird, um Geschichten miteinander zu teilen, treten vier Personen auf, die mit, aus und von ihren Körpern erzählen. Mit Text, Musik, Gesang, Tanz und Akrobatik werden assoziative Bilder geschaffen, die Schwangerschaft in eine Reihe mit queeren (Selbst-)Erfahrungen stellen und somit diesen körperlichen Zustand ganz neu erzählen, fernab von den gesellschaftlichen Zwangsneurosen, die ihm noch immer aufgezwungen werden. Der Text, der den Bogen von Schwangerschaft über Bluttransfusionen bis hin zur Auflösung von Subjekten und deren Neuaufbau spannt; der Rauscherfahrungen von Drogen, Hormonen, Blut und (Ver-)lust ineinander flicht, von Geschmacksveränderungen berichtet, persönlich und ehrlich erzählt. Entstanden ist der Text in Anlehnung an Interviews und Gespräche zum Thema Schwangerschaften, deren Abbrüchen u. anderen Körpertransitionen wie -transformationen, die innerhalb des Teams geführt wurden. Zwischen diese Texte legen sich Zitate aus Sylvia Plath’s “Drei Frauen”, die sich mit der verdichteten Sprache von Lena K. Schmidt vermischen.
Als Leitmotiv führen Perlen und Perlenketten durch die Inszenierung, werden zu verschwenderisch verprassten Kostbarkeiten, zu geteilten Körperflüssigkeiten, die aufplatzen und durch den Raum spritzen.
Da Zuschauer:innenraum und Bühne nicht voneinander getrennt sind, darf das Publikum ganz nah sein. An einer großen Austernbar können sich die Gäste an allmöglichen perlenförmigen Leckereien bedienen und sich während der Performance frei im Raum bewegen. So entsteht eine Einladung, sich zu den vier Erzählenden zu setzen und mit ihnen den geschwisterlichen Bund einzugehen. Dabei changiert das Stück selbst zwischen Konzert und Theaterabend, bei dem die Musik, komponiert und performt von Tanja Fuchs, zum treibenden Erzählmotor wird.
Time Is My Fertility ist ein performativer Fiebertraum, ein persönliches Essay, in welchem verschiedene körperliche und psychische Zustände durchlebt werden und sich ohne zu widersprechen verflechten können.